Rede | Zur Westbalkanregelung

Deutscher Bundestag, 208. Sitzung am 10.02.2021

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Redeprotokoll

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD, den wir heute bereden, ist eine Mischung aus fehlendem ökonomischen Sachverstand und Ausländerfeindlichkeit. Das ist ziemlich deutlich. Und das ist leider nicht neu, und das ist scharf zu kritisieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Ich glaube, die Ausländerfeindlichkeit – das kann man zumindest nach der Rede des Kollegen Springer sagen – hat da die Oberhand. Das, was da so an Pseudoargumenten dazukommt, dient eher dazu, Ängste zu schüren. Dabei ist das ökonomisch überhaupt nicht begründet: Die Westbalkanregelung ist sehr erfolgreich.
Es gibt eine sehr ausführliche Evaluation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; darauf haben die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen schon hingewiesen. Diese könnten Sie mal durcharbeiten. Aber das ist Ihnen wahrscheinlich zu viel. Das ist vielleicht auch ein Zuviel an Fakten.
Daran wird nämlich deutlich, dass diese Regelung gut wirkt, weil eben gerade nicht auf die Qualifikation geachtet wird. Wir brauchen nämlich mehr Arbeitskräfte: qualifizierte Arbeitskräfte, aber eben auch weniger qualifizierte Arbeitskräfte. Obwohl nicht geprüft wird, ist es so, dass trotzdem die qualifizierten Arbeitskräfte zu uns kommen.
Es ist ein Ergebnis der Evaluation, dass ein großer Teil, die Mehrheit davon, gut qualifizierte Leute sind, die wir hier brauchen. Wir brauchen sie auch deswegen, weil sie in Branchen arbeiten, in denen Arbeitskräfte gebraucht werden. Über 40 Prozent der Beschäftigten aus dem Westbalkan, die über diese Regelung zu uns kommen, arbeiten in der Bauwirtschaft. Wir stehen im Moment ökonomisch ja ganz gut da, weil viele Bereiche unserer Wirtschaft noch laufen.
Wir haben gar nicht diesen berühmten Lockdown, den Sie immer beschreien. Einige Bereiche sind dicht; viele laufen aber. Wenn man mit offenen Augen durch die Gegend geht, sieht man, dass insbesondere die Bauwirtschaft sehr gut läuft. Das liegt unter anderem an der Westbalkanregelung. Das liegt unter anderem daran, dass die Menschen aus diesen Ländern hier sind und bei uns arbeiten. Auch deswegen ist diese Westbalkanregelung gut.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Daniela Kolbe (SPD))

Wir haben natürlich von Anfang an auch Kritik gehabt. Wir haben kritisiert, dass die Visumregelungen zu lange dauern. Wir haben die Vorrangprüfung kritisiert, weil diese sehr bürokratisch ist und aus unserer Sicht eigentlich unnötig. Wir kritisieren jetzt an der Verlängerung, dass sie zu stark beschränkt ist: Es ist nur eine Verlängerung um drei Jahre. Da hätten wir gerne mehr gehabt. Wir hätten gerne die Regelung, dass man nach zwei Jahren sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nicht wieder eine Beurteilung der Bundesagentur bräuchte. Und vor allen Dingen hätten wir keinen Deckel bei 25 000 Personen haben wollen. Dieser Deckel müsste eigentlich weg.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke (DIE LINKE))

Aber trotz allem: Das ist eine gute Regelung, sogar eine vorbildliche Regelung, die wir mit der Westbalkanregelung haben. Deswegen werden wir den Antrag der AfD voll und gut begründet ablehnen. Er kommt dann noch in den Ausschuss. Aber ich glaube, auch da werden Sie nicht viel dazulernen. Es ist sehr deutlich, auf welchem Pfad Sie unterwegs sind: ausländerfeindlich, und von Ökonomie haben Sie keine Ahnung. Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

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