Rede | Wir lösen die Bremsen für bessere Weiterbildung
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Rede vom 28.4.2023 im Deutschen Bundestag zum TOP Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ganz viele Faktoren, die den Arbeitsmarkt zurzeit verändern und die ihn schon seit Längerem verändern; zum Teil liegen die Veränderungen noch vor uns. Die Digitalisierung ist für uns alle eine große Chance – für unser Alltagsleben wie auch für die Arbeitswelt -, aber sie erfordert neue Qualifikationen. Durch die Digitalisierung werden auch Arbeitsplätze wegfallen; da muss man ehrlich sein. Auf der anderen Seite entstehen aber ganz viele neue Arbeitsplätze durch den Strukturwandel. Vor allen Dingen durch den ökologischen Umbau werden viele neue Arbeitsplätze entstehen, neue Qualifikationen werden gebraucht.
(Norbert Kleinwächter (AfD): Das glauben Sie doch selber nicht!)
Durch die demografische Entwicklung entstehen neue Arbeitsnotwendigkeiten, was zum Beispiel den Bereich der sozialen Dienstleistungen angeht.
Für alle diese Veränderungen ist Weiterbildung ein zentraler Schlüssel. Deswegen ist das, was wir heute diskutieren, ein ganz gewichtiges Gesetz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es ist wirklich erstaunlich: Diese ganzen Entwicklungen sind ja schon lange bekannt, und man wundert sich, dass in den letzten 16 Jahren da so wenig passiert ist – viel zu wenig. Wir hätten uns schon längst durch eine viel bessere Weiterbildungsförderung darauf vorbereiten müssen.
(Thorsten Frei (CDU/CSU): Das hat der Minister Heil aber vorhin anders gesagt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
– Jetzt gibt es hier Zwischenrufe von der Union, die die letzten 16 Jahre regiert hat. – Die Ampel packt das jetzt mit dem großen Weiterbildungspaket aus dem Koalitionsvertrag an. Dieses Gesetz ist ein Teil davon. Die Ampel macht das, was die letzten 16 Jahre versäumt worden ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Und es ist ja nicht der erste Schritt, den wir gegangen sind, Kollegin Tatti. Wir haben mit dem Bürgergeld-Gesetz schon das Weiterbildungsgeld eingeführt – nicht nur für Arbeitslose, die Bürgergeld beziehen, sondern auch für Geringverdiener, die Bürgergeld beziehen.
(Jessica Tatti (DIE LINKE): Es gibt aber zu wenig Mittel! Die Zahlen sinken doch! Es gibt kein Geld dafür!)
All diese Gruppen können ab 1. Juli 2023 ein Weiterbildungsgeld von 150 Euro zusätzlich zum Einkommen erhalten. Wir schaffen den Vermittlungsvorrang ab, und gerade in dieser Kombination ist das ein starkes Zeichen für die Weiterbildung, gerade für die Schwächsten in der Gesellschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mit diesem Gesetz gehen wir weitere Schritte. Auf das Qualifizierungsgeld ist meine Kollegin Beate Müller-Gemmeke schon eingegangen. Wenn Unternehmen vom ökologischen Strukturwandel betroffen sind und neue Qualifikationen brauchen, ist das auch wirtschaftspolitisch ein sehr starkes Mittel; dies noch mal an die Union gerichtet.
Aber es gibt ja nicht nur den Strukturwandel, sondern wir brauchen vielfältige Weiterbildung. Und an der Stelle hat die Große Koalition mit dem Qualifizierungschancengesetz, mit dem Arbeit-von-morgen-Gesetz tatsächlich die richtigen Weichen gestellt. Dem haben die Grünen zugestimmt, auch die FDP hat dem zugestimmt. Beide Fraktionen haben aber damals schon gesagt: Ja, das sind die richtigen Weichen; aber ob es so richtig losgeht, daran haben wir unsere Zweifel. Und tatsächlich ist das so: Die Weichen sind richtig gestellt, der Zug ist aber nicht losgefahren. Wir lösen jetzt die Bremsen, damit der Zug endlich Gas geben kann für bessere Weiterbildung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir machen das, indem wir Hürden abbauen, entbürokratisieren und vereinfachen. Und wir überlegen, ob wir die jetzt schon stärkere Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen noch mal verstärken, weil gerade kleine und mittlere Unternehmen noch mehr Unterstützung brauchen. Insbesondere über diesen Punkt werden wir im parlamentarischen Verfahren noch nachdenken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden ja auch noch weitere Schritte gehen. Wir als Grüne finden es schade, dass die Bildungszeit noch nicht in diesem Gesetzentwurf enthalten ist, weil wir da noch ein bisschen Diskussionsbedarf haben; aber sie ist ein weiterer wichtiger Schlüssel. Das Qualifizierungsgeld ist eine Maßnahme für Unternehmen, die im Strukturwandel stecken. Im Hinblick auf die Weiterbildungsförderung wäre – auch aus Unternehmenssicht – die Bildungszeit eine Maßnahme, mit der Arbeitnehmer/-innen bzw. Beschäftigte von sich aus, eigeninitiativ und selbstbestimmt, Weiterbildung vorantreiben können. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. Dieser Punkt wird kommen. Die Bildungszeit muss auf jeden Fall auch noch als Gesetz vorgelegt werden.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Letzte Anmerkung – ganz kurz -: Es gibt ja auch noch Dinge, die neben dem Gesetz notwendig sind. Wir haben im Koalitionsvertrag den Begriff der „Weiterbildungsagenturen“ stark gemacht, die Beratung anbieten, damit die Menschen wissen, wo sie hingehen müssen, wenn sie sich weiterbilden wollen. Die Bundesagentur für Arbeit ist dabei, die Strukturen dafür aufzubauen in Form von Weiterbildungsverbünden und Weiterbildungsagenturen. Auch das ist noch mal ein wichtiges Paket. Die Ampel schafft die Rahmenbedingungen für bessere Qualifizierung für die Zukunftsaufgaben.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)