Rede | Lieferkettengesetz: Sorgfaltspflichten bleiben bestehen!
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Kern des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sind die Sorgfaltspflichten und nicht die Berichtspflichten. Aber auch die Berichtspflichten sind nicht überbordend sondern basieren auf Risikoprüfungen. Das kann man Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitenden zumuten. Da es die große Koalition bei der Einführung des Gesetzes versäumt hat, arbeiten das Wirtschaftsministerium mit dem Arbeitsministerium an weiteren Hilfen, damit große Unternehmen die Verantwortung nicht auf mittlere und kleinere abwälzen können.
Protokoll der Rede vom 17.10.2024 im Deutschen Bundestag
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Ich will noch mal klar sagen, worum es beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor allem geht.
(Zuruf von der AfD: Das wissen wir alles!)
Kern des Gesetzes sind, wie der Name schon sagt, die Sorgfaltspflichten – nicht die Berichtspflichten, Herr
Spahn.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das hat einen Grund, warum Robert Habeck heute nicht da ist!)
Was heißt das? Große Unternehmen haben die Pflicht, in ihren Lieferketten genauer hinzuschauen, ob es Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards gibt. Wenn sie dann feststellen, dass das so ist, und sie die Möglichkeit haben, darauf Einfluss zu nehmen, dann sollen sie das tun, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Bernd Rützel [SPD]: So ist es!)
Noch mal: Die Sorgfaltspflicht haben nur große Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten, und die kriegen das in der Regel auch gut hin.
(Zuruf des Abg. Stefan Rouenhoff [CDU/CSU])
Für die Unternehmen ist das sogar von wirtschaftlichem Vorteil; mein Kollege Außendorf hat das beschrieben. Deswegen gibt es überhaupt keinen Grund, die Sorgfaltspflichten auszusetzen, abzuschwächen oder gar abzuschaffen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nun gibt es zwei Hebel, die Sorgfaltspflichten durchzusetzen: einerseits über Berichtspflichten und andererseits über Haftungsregelungen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Strengmann-Kuhn, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Mörseburg?
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN): Gern.
Maximilian Mörseburg (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Strengmann-Kuhn, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade wieder den Mythos aufgemacht, es treffe ja nur die großen Unternehmen. Können Sie diesen logischen Bruch bitte endlich mal aufklären, wie auf der einen Seite die gesamte Lieferkette überwacht werden soll, während auf der anderen Seite Teile dieser Lieferkette von den Pflichten ausgenommen werden sollen? Wenn das große Unternehmen das kleine Unternehmen nicht dazu verpflichtet, offenzulegen, wie die Lieferkette weiter verläuft, weiß das große Unternehmen nicht, wo das Zeug herkommt. Also ist es einfach logisch nicht möglich, das nur auf große Unternehmen zu begrenzen. Wie können Sie diesen logischen Bruch in Ihrer Argumentation erklären?
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Gar nicht!)
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ganz herzlichen Dank für diese gute Frage; denn so kann ich einen wichtigen Punkt ansprechen, den ich in meiner Rede wegen der kurzen Redezeit nicht vorgesehen hatte. – Die Sorgfaltspflichten betreffen die großen Unternehmen. Die müssen ein Risikomanagement durchführen und überlegen, was sie überhaupt hinkriegen; das ist dem Ganzen sowieso vorgelagert. Und die müssen auch nicht mehr tun, als sie wirklich können. Was in der Realität aber passiert, ist, dass sie ihre Verpflichtungen teilweise auf kleine und mittlere Unternehmen abwälzen. Hier müssen wir unbedingt einen Riegel vorschieben, und das wollen wir als Ampel auch machen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wie soll denn das funktionieren?)
Sie haben es in Ihrer Regierungszeit versäumt, die kleinen und mittleren Unternehmen entsprechend zu schützen. Wir wollen das nun machen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wie soll denn das gehen? Erklären Sie mal!)
Ich bin mit der Antwort fertig.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das war leider keine! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben was gesagt, aber nicht geantwortet!)
Zurück zu dem, was ich gerade sagte; da kriegen Sie nämlich auch noch Ihr Fett weg. Es gibt zwei Hebel, um die Sorgfaltspflichten durchzusetzen: entweder Berichtspflichten oder Haftungsregelungen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Erklären Sie doch einmal wie!)
Am Ende sind das zwei kommunizierende Röhren. Man kann entweder scharfe Berichtspflichten mit entsprechenden Sanktionen oder schärfere Haftungsregeln vereinbaren. Auf Druck der CDU/CSU – ich kann mich an die Diskussionen noch genau erinnern –
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
hat sich die große Koalition für das Erste entschieden, für die schärferen Berichtspflichten für alle Unternehmen, und nicht für die schärferen Haftungsregeln, die nur wenige Unternehmen betroffen hätten.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
Wenn die Unternehmen sich jetzt über diese schärferen Berichtspflichten beschweren, können sie sich vor allen Dingen bei Ihnen, der CDU/CSU, bedanken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die EU-Richtlinie sieht jetzt schärfere Haftungsregelungen vor und schafft somit für uns die Möglichkeit einer Entbürokratisierung der Berichtspflichten. Wenn es nach uns ginge, sollten die Haftungsregelungen deswegen möglichst schnell umgesetzt werden. Bei der Entbürokratisierung der Berichtspflichten haben wir als Koalition übrigens schon angefangen. Die Berichtspflichten für dieses Jahr sind ausgesetzt,
(Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])
und in dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsrichtlinie von Marco Buschmann – es befindet sich schon im parlamentarischen Verfahren – werden die Berichtspflichten schon abgeschwächt. Darüber haben wir letzte Woche diskutiert. Ich hatte ein paar Punkte genannt, wo wir noch Änderungsbedarf sehen. Das ist normales parlamentarisches Verfahren. Aber klar ist: Diese Koalition wird die Berichtspflichten stark entbürokratisieren und vereinfachen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Gleichzeitig arbeitet jetzt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an einem Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie. Das ist ein etwas komplizierteres Unterfangen und wird deswegen etwas länger dauern. Wir haben uns als Koalition aber vorgenommen, dass die EU-Richtlinie zügig umgesetzt wird; und das ist auch gut so. Dabei werden wir Grünen uns dafür einsetzen, dass die Haftungsregelungen aus den oben genannten Gründen möglichst früh kommen. Außerdem wollen wir, dass sich der sogenannte Anwendungsbereich nicht verändert. Mittlerweile gibt es auch ein rechtliches Gutachten, gemäß dem eine Einschränkung auf weniger Unternehmen gegen die EU-Richtlinie verstoßen würde. Aber unabhängig von der rechtlichen Frage halten wir es für wichtig, dass sich wie bisher alle Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten um Menschenrechte und Umweltstandards kümmern. Das ist gut für die Menschenrechte und die Umweltstandards und gut auch für die Unternehmen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Sehr, sehr gut!)
Zum Schluss möchte ich noch mal betonen: Eine Aussetzung, Abschwächung oder gar Abschaffung der Sorgfaltspflichten ist von der Koalition nicht geplant. Den Gesetzentwurf von CDU/CSU werden wir ablehnen.
Vielen Dank.