Rede | Das Mindest-Kurzarbeitergeld kann schnell unbürokratische Hilfe bieten
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Deutscher Bundestag, 209. Sitzung vom 11.02.2021
Redeprotokoll
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kober, es wird noch ein bisschen dauern, bis wir tatsächlich unser normales ökonomisches Leben wieder komplett zurückhaben werden. Bis dahin haben wir noch schwierige Zeiten vor uns, und durch diese schwierigen Zeiten schaffen wir es nur gemeinsam.
Uns fällt es allen manchmal ganz schön schwer, uns an alle Regeln zu halten. Aber besonders schwierig ist es für die Leute, bei denen dann noch finanzielle Existenzsorgen hinzukommen und bei denen es wirklich an die Substanz geht. Deswegen ist es gerade in diesen Zeiten besonders wichtig, dass wir wirklich allen Menschen das Existenzminimum garantieren. Denn Angst essen Seele auf, und deswegen müssen wir Existenzängste beseitigen, soweit es geht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben schon letztes Frühjahr als Grüne darauf aufmerksam gemacht, dass das Kurzarbeitergeld in Fällen, bei denen das Einkommen nicht sehr hoch war, nicht ausreicht. Kurzarbeitergeld ist eine Supermaßnahme und hat dafür gesorgt, dass wenig Menschen entlassen worden sind. Die Höhe der Leistung ist gut für Menschen, die ein hohes Einkommen haben oder wenn die Arbeitszeit nur gering reduziert wird. Aber bei den anderen Gruppen reicht es nicht. Bei geringen Einkommen sind selbst die 80 Prozent, die die Große Koalition beschlossen hat, zu wenig. Nach sechs Monaten ist es für alle zu spät. Deswegen brauchen wir Maßnahmen, die den Menschen sofort helfen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben vor einem Jahr einen Vorschlag gemacht, den wir „Kurzarbeitergeld Plus“ genannt haben, weil uns der Vorschlag der Linken „Einfach 90 Prozent für alle“ nicht überzeugt hat; das war uns nicht zielgenau. Wir haben gesagt: Im unteren Einkommensbereich stocken wir auf bis zu 90 Prozent Lohnersatzrate auf. – Das wäre eine zielgenaue Maßnahme gewesen, wäre es immer noch.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Da gab es zwei Gegenargumente aus der Großen Koalition. Das eine war: Das ist ja viel zu kompliziert. – Und dann haben Sie eine Lösung gemacht, zu der die Experten im Ausschuss gesagt haben, dass sie viel komplizierter ist als das, was wir vorgeschlagen haben.
(Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)
Das andere war – und das hat der Kollege Rützel eben wiederholt -: Die Leute können doch zum Jobcenter gehen und Arbeitslosengeld II beantragen. – Ja, das können sie, darauf haben sie eigentlich ein gutes Recht; aber sie machen es nicht. Das sehen wir jetzt an den Zahlen: Die Selbstständigen machen es nicht, und die Menschen mit geringem Kurzarbeitergeld machen es auch nicht. Deswegen müssen wir da tatsächlich über andere Lösungen nachdenken. Die Jobcenter sind im Wesentlichen für Arbeitslose gedacht, und die Hürden – auch die jetzt geringeren Hürden für die Selbstständigen und für die Kurzarbeitenden – sind immer noch zu hoch. Wir brauchen Lösungen, die die Erwerbstätigen so absichern, dass sie nicht zum Jobcenter gehen brauchen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Da liegt nun ein Vorschlag von NGG und Verdi vor, über den wir jetzt noch mal neu diskutieren können. Da haben wir vielleicht auch eine Chance. Zumindest ein Teil der Koalition ist davon schon überzeugt. Ich zitiere mal aus einer Meldung auf der Seite der CDA von vorgestern. Da steht:
Für die CDA ist klar: Niemand soll wegen Corona zum Sozialamt gehen müssen. Wir wollen für alle ein Einkommen auf Mindestlohn-Niveau sichern. Deshalb brauchen wir ein Mindest-Kurzarbeitergeld.
(Katja Kipping (DIE LINKE): Hört! Hört!)
Erreicht der oder die Beschäftigte mit dem Kurzarbeitergeld kein Einkommen über dem Mindestlohn, dann soll die Bundesagentur für Arbeit … das Kurzarbeitergeld auf diesen Betrag aufstocken.
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Herr Kollege.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das Mindest-Kurzarbeitergeld kann so unbürokratisch Hilfe schaffen.
Sehr gut! Hätte ich nicht besser formulieren können!
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Herr Kollege, auch Zitate werden Ihrer Redezeit zugerechnet.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Jetzt geht es nur noch darum: Überzeugen Sie die eigenen Leute, überzeugen Sie die SPD, überzeugen Sie die Regierung. Uns haben Sie dabei auf Ihrer Seite, und der Kollege Whittaker kann jetzt gleich damit anfangen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kai Whittaker (CDU/CSU): Immer diese unnötigen Erwartungen!)