Facebook und Twitter – Should I stay or should I go?

Robert Habeck hat mit seinem Austritt aus Twitter und Facebook eine – wie ich finde –
wichtige Debatte über den Sinn und Unsinn der so genannten sozialen Medien angestoßen.
Ich finde das meiste in Roberts Habecks Blogbeitrag richtig beschrieben und ich finde den Schritt für ihn nachvollziehbar. Ich gehöre zu den Leuten, die auf Facebook und Twitter sehr aktiv sind und war 2018 auf Platz 8 der grünen Abgeordneten, die am meisten getwittert haben. Trotzdem oder vielmehr deswegen habe ich mir auch schon oft die Frage gestellt: Was macht diese Facebookerei und Twitterei eigentlich mit uns? Mit jeder/jedem einzelnen und als Gesellschaft?

Vor einigen Tagen habe ich auf Facebook die Frage „Should I stay or should I go?“ gepostet und darauf etliche, überwiegend interessante und lesenswerte Antworten bekommen. Viele waren klar der Meinung oder haben mich sogar explizit aufgefordert, zu bleiben. Viele haben aber auch dargestellt, dass sie sich diese Frage auch schon gestellt habe. Ein Kommentar endete: „Es klingt albern, aber nachdem ich angefangen habe auszusteigen hat sich bei mir ein Gefühl der Erleichterung breit gemacht“. Insgesamt hat sich durch die Kommentare ein sehr differenziertes Bild ergeben. Deswegen möchte ich mich bei allen, die Kommentare geschrieben haben, hier nochmal bedanken.

Im Folgenden möchte ich diese Diskussion und meine Gedanken dazu zusammenfassen sowie meine konkreten Schlussfolgerungen, die auch daraus ziehe, darstellen. Um es vorweg zu nehmen: Ich werde nicht aus Facebook und Twitter aussteigen, aber mein Facebook- und Twitter-Verhalten ändern.

Grundsätzliches

Auf Twitter hatte ich einen schönen und wie ich finde sehr passenden allgemeinen Kommentar:
Schlimmster Fehler ist, die Wirkmacht sozialer Medien zu überschätzen.
Zweitschlimmster Fehler ist, sie zu unterschätzen.

Manche Kommentare gingen in die Richtung: „Die sozialen Medien gehören eben zum Leben dazu„. Für mich ist das ein typischer Fall für die Überschätzung, denn die Aussage gilt lediglich für einen Teil der Gesellschaft, für viele Menschen sind Facebook und Twitter völlig irrelevant. Außerdem stellt sich für mich die Frage: Ist das eigentlich gut, dass die sozialen Medien für viele in ihrem Leben so eine große Bedeutung haben? Ich wage das zu bezweifeln. Viele der sozialen Kontakte, die wir früher in der realen Welt hatten, verlagern sich auf digitale Medien, mehr noch, die Art der digitalen sozialen Kontakte sind natürlich qualitativ gegenüber den sozialen Kontakten im wirklichen Leben, den analogen sozialen Kontakten, sehr viel eingeschränkter. Natürlich ist wie so häufig die Welt nicht schwarz und weiß, sondern es gibt natürlich auch die andere Seite. Die sozialen Medien können dabei helfen, Kontakte zu pflegen oder Kontakt zu Leuten aufzunehmen, die man lange nicht gesehen hat.

Eine Reihe weiterer Kommentare hatten den Tenor: „In den sozialen Medien finden politische Debatten statt und Politiker*innen müssten sich daran beteiligen„. Ich würde beides bezweifeln. Echte politische Debatten finden in den sozialen Medien nicht statt. Die Beobachtung von Robert Habeck ist doch völlig richtig, dass die Art der „Debatten“ einen ganz anderen Charakter hat als echte Debatten, eine differenzierte Diskussion, bei der wirklich auf den anderen eingegangen wird und werden kann, findet in den digitalien sozialen Medien kaum statt. Das geht auch gar nicht, denn dazu gehört echtes Zuhören, um den Tonfall zu hören wie etwas gesagt wird, und es gehört Körpersprache dazu, um das Gegenüber wirklich und richtig zu verstehen. Zu der Frage politische Debatte in den sozialen Medien empfehle ich den lesenswerten Blog-Beitrag von Sascha Lobo: „Social Heisenberg – warum Twitter nicht für politische Diskussionen geeignet ist“.

Was richtig ist: In den sozialen Medien wird politische Stimmung gemacht. Deswegen meinten einige: da müssen wir doch gegenhalten. Nein, ich finde: müssen müssen wir das nicht. Die sozialen Medien sind nicht der Narbel der Welt und sie sind auch kein Spiegelbild der Gesellschaft. Die Menschen, die bei Facebook und Twitter unterwegs sind, sind nicht repräsentativ, sie sind zum Teil sehr speziell. Das wird auch manchmal vergessen. Die Bedeutung der sozialen Medien wird überschätzt.

Should I go … ?

Robert Habeck hat Recht: Natürlich macht die Art der Diskussion in den sozialen Medien etwas mit uns, beeinflusst das eigene Denken. Sprache hat immer Einfluss auf das Denken. Ein Reiz von Twitter und Facebook ist, dass wir direkte Reaktionen bekommen, Likes, Kommentare usw. Und es ist natürlich interessant, gerade als Politikerin und Poltiker, sofort ein Gefühl, dafür zu bekommen, wie Reaktionen auf ein Statement sind. Aber Vorsicht! Wie geschrieben die sozialen Medien sind nicht repräsentativ. In der realen Welt können die Reaktionen ganz andere sein.

Aber noch mehr: Sowohl bei Twitter als auch bei Facebook ist es nicht zufällig, wie viele Reaktionen man bekommt. Was in einer Timeline angezeigt wird, wird durch Allgorithmen bestimmt. So „hilft es“ einen Post bei Facebook mit einem Emoji zu versehen, damit er häufiger angezeigt wird. Außerdem – unabhängig von den Allgorithmen –  gibt es mehr Reaktionen, wenn ein Post oder Tweet emotionaler oder zugespitzer ist. Das hat natürlich Wirkungen auf das eigene Verhalten. Wollen wir das? Zumindest muss man sich dessen bewusst sein.

Desweiteren ist die Kommunikation auf Twitter und Facebook schnell. Ein Tweet, ein Kommentar sind schnell geschrieben. Es ist aber für viele politische Debatten gut, wenn sie entschleunigter und nicht so aufgeregt passieren wie in den sozialen Medien. Außerdem ist meine Erfahrung, dass die geposteten Links mit längeren Texten von vielen nicht gelesen werden, sondern nur die Botschaft im Facebook-Post oder Tweet. Die Tendenz, sich weniger intensiv und differenziert mit Themen zu beschäftigen, wird dadurch noch verstärkt. Macht es wirklich Sinn, das alles noch durch eigenes Zutun zu verstärken?

Last but not least: Facebook und Twitter sind Zeitfresser. Zeit, die mensch vielleicht besser für anderes verwenden kann. 

… or should I stay?

Gerade als Politikerin oder Politiker sind direkte Reaktionen auf Positionen hilfreich, allerdings sollte das immer in dem Bewusstsein passieren, dass a) die sozialen Medien wie schon geschrieben gerade nicht repräsentativ sind und b) dass wir uns in den sozialen Medien in Filterblasen befinden, weil wir überwiegend Follower haben, die unserer Position nahe stehen. Aber gerade letzteres ist durchaus ein Grund zu bleiben, weil Facebook und Twitter für einen Teil der eigenen Basis wichtige Informationsmedien sind, aber wohlgemerkt nur für einen Teil.

So gab es auf Facebook Kommentare, die in die Richtung gingen, dass es bezüglich der Entscheidung von Robert Habeck sowohl Verständnis gab als auch die Einschätzung, dass dies in seinem Fall nicht so gravierend ist, weil er als Parteivorsitzender sowohl die Informationskanäle der Partei nutzen kann als auch sonst genügend öffentliche Aufmerksamkeit erhält, aber es gab einige, die meinten, dass es für sie wichtig wäre, auch weiterhin Informationen und Positionen von mir über Facebook und Twitter zu erhalten, weil diese sonst nicht oder nur teilweise bei ihnen ankommen würden.

Ich persönlich nutze Twitter als eine Art Newsticker, nur dass dieser Newsticker nicht (nur) von Nachrichtenagenturen, sondern von mir ausgesuchten Organisationen, Medien und eben auch Einzelpersonen bestückt wird. In den Kommentaren wurde deutlich, dass dies Einige, die mir folgen auch so machen, um sich politisch zu informieren. 

Konsequenzen

Für mich führen diese Überlegungen zu folgenden vier Konsequenzen:

1) Meine Facebook-Aktivitäten werde ich stark zurückfahren. Auf meiner Facebook-Seite werde ich künftig nur noch posten, was ich auch auf meine Homepage stelle. Sie wird also eine Art Spiegel meiner Homepage, hat aber den Vorteil, dass sie bei denen, die meine Facebook-Seite mit „Gefällt mir“ markiert haben, angezeigt werden.

2) Auf Twitter werde ich keine Diskussionen mehr führen, sondern es im Wesentlichen als Mitteilungsmedium nutzen, um Informationen oder Positionen weiter zu verbreiten.

3) Ich werde traditionelle elektronische Medien, wie meine Newsletter stärker nutzen. Neben meinem allgemeinen Newsletter habe ich vor kurzum auch einen regionalen Rhein-Main-Newsletter eingeführt.

4) Vor allem werde ich die analogen sozialen Medien verstärkt nutzen, also u.a. mehr und regelmäige Diskussionen vor Ort veranstalten und insgesamt verstärkt Wege nutzen mit den Leuten direkt ins Gespräch zu kommen.

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