Gastbeitrag | Auf dem Weg zur Weiterbildungsrepublik

erschienen am 13.02.2023 in der Frankfurter Rundschau und unter diesem Link zu finden.

Wir sind in Zeiten starker Veränderungen. Digitalisierung, Demografie, aber auch der ökologische Umbau verändern die Arbeitswelt. Um die Klimakrise in den Griff zu bekommen, sind neue Qualifikationen erforderlich. Ganz neue Berufe entstehen, bestehende Tätigkeiten wandeln sich. Vor allem für den ökologischen Umbau, aber auch im sozialen Bereich entstehen neue Arbeitsplätze, für die Fachkräfte gebraucht werden. Gleichzeitig fallen alte Arbeitsplätze weg. Um die Menschen in die Lage zu versetzen, diese Veränderungen selbstbestimmt zu gestalten, und gleichzeitig die Unternehmen bei der Transformation zu unterstützen, ist Weiterbildung ein zentraler Schlüssel. Die Ampelkoalition hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, dass Deutschland zu einer Weiterbildungsrepublik wird.

Im Rahmen des Bürgergeldgesetzes wurde beschlossen, dass Arbeitslose ab dem 1. Juli bei einer abschlussbezogenen Weiterbildung ein Weiterbildungsgeld in Höhe von monatlich 150 Euro zusätzlich zum Arbeitslosengeld oder zum Bürgergeld bekommen. Auch Erwerbstätige mit geringem Einkommen, die Bürgergeld beziehen, erhalten dieses Weiterbildungsgeld. Bisher war es gerade für Arbeitslose häufig so, dass sie eine prekäre Beschäftigung oder einen Ein-Euro-Job einer Weiterbildung vorgezogen haben, weil sie es sich schlicht nicht leisten konnten, auf Einkommen zu verzichten. Dieser finanzielle Druck wird durch das Weiterbildungsgeld deutlich reduziert.

Die Ampelkoalition arbeitet zusätzlich an einem Weiterbildungsgesetz. Bei Beschäftigten sind vor allem die Unternehmen für die betriebliche Weiterbildung zuständig. Das ist auch gut und richtig so, weil die Unternehmen ja auch von der Weiterbildung profitieren. Unternehmen können schon heute in bestimmten Fällen Zuschüsse zur Weiterbildung erhalten. Das wird durch das geplante Gesetz noch einmal ausgeweitet und vor allem vereinfacht.

Was bisher fehlte, war eine Unterstützung für Beschäftigte, die sich eigeninitiativ weiterbilden wollen. Das kann mit den Interessen des Unternehmens zusammenfallen, muss aber nicht. Um eine solche Eigeninitiative zu fördern, sollen Beschäftigte die Möglichkeit zu einer Bildungszeit erhalten, in der sie sich in Voll- oder Teilzeit weiterbilden können. Während dieser Zeit bekommen sie ein sogenanntes Bildungszeitgeld als Lohnersatzleistung, damit sie sich die Auszeit auch leisten können. Die Arbeitgeber:innen müssen der Freistellung zustimmen, profitieren aber gleichzeitig von der Weiterbildung der Beschäftigten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass dabei keine willkürliche Ablehnung möglich ist, sondern betriebliche Gründe angegeben werden müssen. Außerdem sollte in der Bildungszeit auch ein Berufsabschluss nachgeholt werden können. Das ist bei der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgeschlagenen maximalen Zeit von einem Jahr bei Voll- bzw. zwei Jahren bei Teilzeitweiterbildung kaum möglich.

Neben der Verbesserung bei der individuellen Weiterbildung ist geplant, ganze Unternehmen und ihre Beschäftigten zu unterstützen, die besonders vom Strukturwandel betroffen sind. Unternehmen können dann ein Qualifizierungsgeld für ihre Arbeitnehmer:innen beantragen, wenn mindestens 20 Prozent der Belegschaft ihre Arbeitszeit reduziert und sich weiterbildet. In dieser Zeit erhalten die Beschäftigten ein Qualifizierungsgeld, das dem Kurzarbeitergeld ähnelt. Wir finden es sinnvoll, diese Unterstützung auf Unternehmen zu fokussieren, die vom ökologischen Strukturwandel betroffen sind.

Die Möglichkeiten, sich weiterzubilden und finanziell gefördert zu werden, sind vielfältig. Aber kaum jemand durchblickt diesen Dschungel. Deswegen wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, dass bundesweit Weiterbildungsagenturen aufgebaut werden sollen, bei denen sich an Weiterbildung interessierte Bürger:innen sowie Unternehmen beraten lassen können. Die Weiterbildungsagenturen sollen dabei auf regionalen Weiterbildungsnetzwerken aufbauen. Mittelfristig soll es so überall, wo es jetzt eine Arbeitsagentur gibt, mit den Weiterbildungsagenturen eine zentrale Anlaufstelle für die Weiterbildungsberatung geben.

Durch die dargestellten Maßnahmen entwickelt sich die Arbeitslosenversicherung in Richtung einer Arbeitsversicherung, mit der nicht nur Arbeitslose, sondern auch Erwerbstätige in den immer heterogener werdenden Erwerbsverläufen unterstützt werden. Für Bündnis 90/Die Grünen sind die beschriebenen Maßnahmen große Schritte in Richtung einer Weiterbildungsrepublik, aber noch nicht das Ende. Ziel ist eine ganz neue Kultur der Weiterbildung, von der alle profitieren: Arbeitslose, Beschäftigte, zunehmend auch Selbstständige, Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes.

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