Gründe für das schlechte Abschneiden der Grünen
- WSK-Blog
Meine Analyse der Bundestagswahl 2013
Wir haben ein totes Pferd geritten
Ein Kardinalfehler war, dass wir alles auf eine Karte, nämlich eine rot-grüne Regierung gesetzt haben. Damit waren gleich mehrere Fehler verbunden
- Zuviel rot-grün, sowenig grün. Wir haben die SPD im Wahlkampf in Watte gepackt und viel zu wenig eigenständiges grünes Profil gezeigt. Dazu hätten wir die Unterschiede zur SPD, auch und insbesondere in der Sozialpolitik, aber auch in anderen Fragen wie der Energie- und der Wirtschaftspolitik viel deutlicher machen und die SPD für ihre Konzepte stärker kritisieren müssen
- Die im Wahlkampf stattgefundene Ausschließeritis entspricht weder der Beschlusslage noch war sie strategisch sinnvoll, weil wir dadurch von Vornherein keine realistische Regierungsoption hatten
- Wir haben ausschließlich auf eine Regierungsbeteiligung gesetzt und nicht deutlich gemacht, warum starke Grüne als Opposition wichtig sind
- Die Fokussierung auf die Regierungsbeteiligung hat dazu geführt, dass wir zu viel Klein-Klein präsentiert haben, die Darstellung der großen Probleme (Klimawandel, Spaltung der Gesellschaft, demographischer Wandel …) und langfristige Grüne Antworten und Visionen („Neuer Gesellschaftsvertrag“, sozial-ökologische Transformation) blieben auf der Strecke. Insgesamt waren wir zu technokratisch und haben nicht die Herzen der Menschen erreicht.
- Die beiden SpitzenkandidatInnen waren Repräsentanten der rot-grünen Regierung. Das hat die Glaubwürdigkeit gerade in sozialpolitischen Fragen nicht gefördert, weil sie mit Agenda 2010, Hartz IV, Steuersenkungen u.a. verbunden wird, auch wenn die Partei und auch die beiden SpitzenkandidatInnen aus den Fehlern gelernt haben.
Inhaltliche Lücken – nicht im Wahlprogramm, sondern in der Kommunikation
Wichtige Grüne Positionierungen sind zu kurz gekommen. Insbesondere unsere Wirtschafts-und sozialpolitische Kompetenz und das Zusammendenken von Ökonomie, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit ist nicht deutlich geworden.
Beispiele:
- Unsere Antworten und Alternativen in der Eurokrise sind zu kurz gekommen. Im Nachhinein war es meines Erachtens auch ein Fehler den Rettungspaketen immer zuzustimmen. Das fette Aber bei unserem „Ja, aber“ kam deswegen überhaupt nicht durch.
- Die sozial-ökoligische Transformation der Wirtschaft – das was wir im letzten Wahlkampf Green New Deal genannt haben – kam überhaupt nicht vor.
- Das Grüne Profil in der Sozialpolitik hätte deutlicher gemacht werden müssen: „Selbstbestimmte Teilhabe für Alle“ (emanzipatorisch und inklusiv)
- Das emanzipatorische und freiheitliche Profil der Grünen hätte insgesamt stärker betont werden müssen
Grüne Besserwisserei und Überheblichkeit
Im Gegensatz zu unseren grundlegenden Werten als emanzipatorische, freiheitliche und basisdemokratische Partei hatten wir eine Haltung der Besserwisserei. Wir erklären die Eurokrise, wir erklären die Energiewende, wir erklären das Steuersystem und erklären auch noch, wann die Leute was essen sollen. Das ist von der Haltung das Gegenteil einer Politik des Gehörtwerdens und des Mitmachens. Es ist richtig, wir wissen und können manches besser als die politische Konkurrenz, aber wir wissen nicht alles besser als die Bevölkerung. Die sozial-ökologische Transformation geht nur gemeinsam und nicht von oben herab.
Grottenschlechte Wahlkampagne
Vor diesem Hintergrund wirkte das „Und Du“ auf den Plakaten bei Vielen eher ausgrenzend und herablassend . Darüber hinaus fanden es viele, insbesondere Nicht-Grünen-Stammwähler, irritierend geduzt zu werden. Aber das war das kleinere Problem daran. Bei einer früheren Wahl waren wir mit dem Slogan „Du entscheidest“ durchaus erfolgreich. „Du entscheidest“ lädt aber zum Mitmachen ein.
Viel wichtiger als der Slogan waren die „Inhalte“ der Plakate. Eigentlich waren wir gut vorbereitet. Der Dreiklang Energiewende/Ökologie, soziale Gerechtigkeit und moderne Gesellschaftspolitik war genau richtig, um uns als die Alternative zu schwarz-gelb zu positionieren. Und der Mitgliederentscheid hat wenige Monate vor der Wahl nochmal die Aufmerksamkeit darauf gelenkt und außerdem gezeigt, welches für unsere Basis die zu diesen drei Themen die wichtigsten Projekte sind. Und dann? Dann kam eine Kampagne einer Werbeagentur, bei der weder der genannte Dreiklang noch die neun gewählten Schlüsselprojekte irgendeine Rolle spielten. Stattdessen Plakate, die kein Mensch verstanden hat und die mit unseren Schlüsselprojekten, wenn überhaupt, nur sehr, sehr indirekt etwas zu tun hatten. Aus 100% Erneuerbare Energie wurde „Ich werde mal Energieriese“ (was auch immer das heißen sollte), aus der Abschaffung des Betreuungsgeldes „Hello Kita“ (Hallo?), aus dem Mindestlohn „faire Löhne“ (schwammiger geht’s nicht) und aus der Schuldenbremse für Banken („Mensch vor Bank“). Plakate zur Bürgerversicherung, zur Wachstumskritik, zum Kampf gegen Rechtsextremismus und gegen Waffenexporte suchte man vergeblich. Wo war zum Beispiel im Rahmen der Debatte um Syrien ein Plakat „Keine Waffen an Diktatoren“ mit dem Bild von Assad? Das wäre eine klare Positionierung gewesen. Aber auch jenseits der Plakate spielten die neun TOP-Schlüsselprojekte überhaupt keine Rolle.
Stattdessen hätten wir zu den neun Schlüsselprojekten oder zumindest zu den drei Oberthemen eigene Kampagnen fahren müssen, um dem zu erwartenden Gegenwind (auch wenn der in der Tat heftig war) etwas entgegensetzen zu können. Sinnvoll wäre es gewesen, die Themen mit Gesichtern zu verbinden und nicht alles auf die beiden SpitzenkandidatInnen zu fokussieren, die zwangsläufig eher GeneralistInnen sein müssen.