Gastbeitrag | (K)ein Stück vom Kuchen?

Die erste Ausgabe des Jahres 2018 vom Leibniz Magazin widmet sich dem Thema Arbeit mit Facetten von Sklaverei, Ausbeutung über Arbeitsumgebung, Arbeiterkiez, Arbeit der Natur bis zum Grundeinkommen.

Hier der Pro-Teil von mir zu einem Pro- und Contra Grundeinkommen.

Stellen Sie sich einen Kuchen vor, der verteilt werden soll. Jede und jeder versucht zunächst, ein möglichst großes Stück zu ergattern, doch am Ende erhalten alle ganz unterschiedliche Portionen, manche gehen gar leer aus. Erst nach diesem Ringen beginnt die Umverteilung, bei der Menschen, für die nichts oder wenig abgefallen ist, etwas von den anderen abbekommen sollen. Sie wiederum stellen die Umverteilung jedoch häufig in Frage: Haben jene, die wenig haben, nicht Familienangehörige, die ihnen zuerst etwas abgeben sollten? Haben sie sich überhaupt richtig angestrengt? Und falls nein — wieso habe ich am Ende auch nicht viel mehr auf dem Teller?

Ganz ähnlich geht es heute bei der Verteilung von Gütern und Einkommen zu. Nicht alle verdienen gleich viel, manche verdienen gar nichts, werden aber von der Gemeinschaft aufgefangen; das ist zumindest der Grundgedanke unseres Sozialstaats. Im Endeffekt fallen trotzdem viele Menschen durch das soziale Netz. Der Bezug von Leistungen stigmatisiert, es entstehen Existenzängste und der Eindruck, dass sich Leistung nicht lohne. Fast acht Millionen Menschen, annähernd zehn Prozent der Bevölkerung, beziehen in Deutschland Leistungen wie das Arbeitslosengeld II oder die Grundsicherung im Alter.

Schon von den Zahlen her stößt das jetzige Grundsicherungssystem trotz günstiger ökonomischer Rahmenbedingungen an seine Grenzen, denn die Überprüfung der Einkommen und Vermögen für so eine große Zahl von Personen ist mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden. Darüber hinaus haben »bedürftigkeits- geprüfte« Leistungen weitere grundsätzliche Nachteile: So gibt es immer Menschen, die zwar Anspruch auf staatliche Leistungen haben, sie aber aus Unwissenheit, Scham oder der begründeten Angst vor Ausgrenzung und Stigmatisierung nicht in Anspruch nehmen. Außerdem wird bei bedürftigkeitsgeprüften Systemen Erwerbsarbeit kaum belohnt, weil das eigene Einkommen vollständig oder wie bei Hartz IV zu mindestens 80 Prozent auf die Leistung angerechnet wird. Was nicht heißt, dass die Betroffenen nicht arbeiten. Im Gegenteil: Es gibt in Deutschland fast vier Millionen erwerbstätige Arme, die kaum mehr oder sogar weniger verdienen, als wenn sie Hartz IV beziehen würden.

Mit einem Grundeinkommen wird der Kuchen anders verteilt. Zuerst wird ein Teil — zum Beispiel die Hälfte — pro Kopf vergeben, sodass jede und jeder von vorneherein ein Stück abbekommt. Der Rest wird dann ähnlich wie heute nach Bedarf, Leistung oder anderen Kriterien verteilt. Auch Erwerbsarbeit wird stärker belohnt, weil das Einkommen, unabhängig von Art und Umfang, immer als Extra hinzukommt. Das Grundeinkommen schützt effektiv und unbürokratisch vor Armut, verringert Existenzängste und verschafft mehr Freiheit und Selbstbestimmung. Und es wäre diversen Berechnungen zufolge finanzierbar, ohne, dass Sozialleistungen, die über das Grundeinkommen hinausgehen, gekürzt werden müssten.

Mein Vorschlag: eine Reform der Einkommensteuer, bei der das Grundeinkommen die Steuerfreibeträge ersetzt. Wir stehen vor gravierenden Zukunftsherausforderungen: Der Arbeitsmarkt verändert sich, beschleunigt durch die Digitalisierung, die Bevölkerung wird älter, die ökologischen Grenzen (etwa die Endlichkeit natürlicher Ressourcen) verringern die Wachstumsraten. Diese Veränderungen verlangen nach einer anderen, einer universelleren Sozialpolitik, die allen ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe garantiert und alle trägt. Konkret heißt das: Bürgerversicherungen für Gesundheit, Pflege und Rente, ein Ausbau von öffentlichen Dienstleistungen und Gütern sowie ein Grundeinkommen als finanzielle Basisabsicherung. Mit ihm haben alle Menschen ein Minimum sicher, der soziale Zusammenhalt wird gestärkt. So entsteht eine neue, stabile Grundlage für die ökonomischen, sozialen und ökologischen Veränderungen, die auf uns zukommen.

Das Magazin mit allen Beiträgen ist hier zu finden: https://www.leibniz-gemeinschaft.de/fileadmin/user_upload/downloads/Presse/Journal/2018_Arbeit/leib_mag07_komprimiert.pdf 

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