Rede | Die Ampel handelt gegen Armut
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Protokoll der Rede vom 19.10.2023 im Deutschen Bundestag
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! „extra 3“ hat vor einigen Jahren mal gesagt, die AfD habe zwei Flügel. Der eine sei für die reichen Deutschen und der andere für das Deutsche Reich.
(Zuruf von der AfD: Da lacht keiner!)
Es zeigt sich zunehmend, dass die beiden Flügel zusammenwachsen und die AfD insgesamt für beides steht. Menschen in Armut oder mit geringem Einkommen haben von dieser Partei nichts, aber auch gar nichts zu erwarten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) – Stephan Brandner (AfD): Von Ihnen schon mal gar nichts!)
Meine Kollegin Annika Klose hat das eben schon großartig dargestellt. Den anderen Antrag hat Max Straubinger gut auseinandergenommen. Deswegen kann ich mich darauf konzentrieren, was die Ampel gegen Armut gemacht hat und was wir noch vorhaben.
(Stephan Brandner (AfD): Haben Sie sich alle abgesprochen, oder wie?)
– Das ging sogar ohne Absprache. Sehen Sie, so gut funktioniert es in der Ampel, dass wir so etwas ohne Absprache hinkriegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner (AfD): Das klingt ja hier wieder nach der Nationalen Front!)
Was wir gegen Armut vorhaben, ist bitter nötig; denn wir haben seit Jahren eine Rekordarmut in Deutschland. Die Ampel handelt, um diese Zahlen endlich zu senken. Das fing mit der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro an. Das war ein wichtiger und großer Schritt, um Lohnarmut zu verhindern.
(Stephan Brandner (AfD): Jetzt sind alle reich, oder was?)
Aber dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Die letzte Entscheidung der Mindestlohnkommission, gegen die Stimmen der Gewerkschaftsseite den Mindestlohn nur ein bisschen anzuheben, bedeutet für uns Grüne, dass wir das Mindestlohngesetz nachbessern müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Annika Klose (SPD))
Wir müssen dafür sorgen, dass eine Seite nicht einfach überstimmt werden kann, und wir müssen eine stärkere Vorgabe machen, dass der Mindestlohn sich an 60 Prozent des mittleren Lohns orientieren muss.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Sehr richtig!)
Denn es darf nicht sein, dass eine Person, die Vollzeit arbeitet, einen Lohn unter der Armutsgrenze bekommt.
Der Mindestlohn ist aber nur die Untergrenze der Löhne. Deswegen ist es wichtig, die Tarifbindung zu erhöhen. Auch da handelt die Ampel. Wir werden bald ein Tariftreue- und Vergabegesetz vorlegen, mit dem wir die Tarifbindung erhöhen. Wir hoffen, dass dieser Gesetzentwurf bald kommt; denn wir brauchen insgesamt höhere Löhne.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Stephan Brandner (AfD): Das ist dann das Stichwort „Entbürokratisierung“, oder?)
Armutsfeste Löhne sind das eine. Wir müssen aber auch die soziale Sicherung armutsfest machen. Statt Arbeitslosengeld II gibt es jetzt das Bürgergeld – für uns ein wichtiger Schritt zur Überwindung von Hartz IV. Wir haben den Vermittlungsvorrang abgeschafft, wir haben Qualifizierung und Weiterbildung gestärkt, und wir haben die Möglichkeiten erweitert, vor allem junge Menschen besser zu unterstützen. Mit dem Bürgergeld verbessern wir die nachhaltige Vermittlung in gute Arbeit und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Überwindung von Armut.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben aber auch die finanziellen Leistungen verbessert. Wer sich weiterbildet, bekommt bis zu 150 Euro Weiterbildungsgeld im Monat dazu. Kinder haben einen Sofortzuschlag von 20 Euro im Monat bekommen, Jugendliche dürfen mehr Geld von ihrem Einkommen behalten, und für Erwerbstätige gibt es bis zu 48 Euro im Monat mehr. Damit, liebe Abgeordnete aus der Union, haben wir nicht nur mit dem Mindestlohn, sondern auch mit dem Bürgergeld den Einkommensabstand zwischen denen, die arbeiten, und denen, die weniger arbeiten, erhöht und nicht verringert.
(Kai Whittaker (CDU/CSU): Was?)
Hören Sie endlich auf mit Ihren Falschaussagen aus anderen Debatten!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) – Zurufe von der CDU/CSU)
Aber wir wollen da nicht stehen bleiben; wir wollen weitermachen. In einem weiteren Gesetz wollen wir dafür sorgen, dass Erwerbstätige noch mehr Geld von ihrem Einkommen behalten dürfen, wenn sie ergänzend Sozialleistungen beziehen. Wer mehr arbeitet, muss das auch auf dem Konto spüren. Für uns ist das eine Frage der Gerechtigkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Und wir Grüne wollen in dem geplanten Bürgergeld-Ergänzungsgesetz die Arbeitsmarktinstrumente vor allen Dingen für Langzeitarbeitslose weiterentwickeln und so noch stabilere Brücken in den Arbeitsmarkt bauen.
Derzeit arbeiten wir aber vor allen Dingen an dem größten sozialpolitischen Projekt dieser Regierung: der Kindergrundsicherung. Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut. Das ist ein Skandal, den wir überwinden müssen. Denn Kinder sind unsere Zukunft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mit der Kindergrundsicherung schaffen wir, dass die Berechtigten endlich auch die Leistungen bekommen, die ihnen zustehen. Denn heute ist das System so kompliziert und sind die Hürden so hoch, dass viele Menschen die Leistungen gar nicht in Anspruch nehmen. Das wollen wir ändern. Wir wollen von der Holschuld der Menschen zu der Bringschuld des Staates. Berechtigte sollen vom Staat informiert werden, dass sie einen Anspruch haben.
Und damit nicht genug: Wenn sie dann einen Antrag gestellt haben, soll sich der Staat um die Einkommensnachweise kümmern, die häufig ja schon irgendwo digital vorliegen. Allein diese digitale Infrastruktur und den Datenaustausch zwischen den Behörden aufzubauen, ist eine Mammutaufgabe. Wir aber finden, dass sich das lohnt, damit das Geld endlich bei den Familien ankommt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Last, but not least: Die Ampelkoalition hat sich zum Ziel gesetzt, die extremste Form von Armut in Deutschland, die Obdachlosigkeit, bis 2030 zu überwinden. Das Ministerium für Wohnen arbeitet derzeit an einem Nationalen Aktionsplan, wie das gelingen kann. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Ausstellung im Paul-Löbe-Haus hinweisen. Die Künstlerin Debora Ruppert hat Obdachlose porträtiert, die ihre Obdachlosigkeit überwunden haben. Ich danke meiner Kollegin Hanna Steinmüller, dass sie diese Ausstellung im Bundestag möglich gemacht hat. Und ich empfehle allen Abgeordneten, sich diese Ausstellung anzuschauen. Sie ist wirklich sehenswert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie sehen: Die Ampelkoalition hat sich viel vorgenommen, um Armut in Deutschland zu verringern. Reicht das? Nein, das reicht natürlich nicht! Wir Grüne haben noch ganz viele Vorschläge, wie wir Armut noch deutlicher beseitigen können.
(Stephan Brandner (AfD): Um Gottes willen!)
Ich habe aber nur noch zehn Sekunden; das reicht nicht, um das darzustellen.
(Stephan Brandner (AfD): Na, Gott sei Dank!)
Jetzt sind wir erst einmal dabei, das aufzuholen, was 16 Jahre lang versäumt worden ist.
(Zurufe von der CDU/CSU: Oah!)
Auch beim Thema „Verringerung von Armut“ handelt die Ampel.
(Stephan Brandner (AfD): Da hampelt die Ampel!)
Und wir schaffen es, Armut zu reduzieren.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)