Rede | Inflation beenden und Bürger*innen gerecht entlasten
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Rede vom 19.05.2022 zur Aktuellen Stunde
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mal mit Analyse und dem Punkt „Inflation bekämpfen“ an. Dazu muss man erst mal gucken: Was ist die Ursache der Inflation? Ökonomische Lehrbücher unterscheiden zwischen unterschiedlichen Varianten von Inflation: Nachfragesoginflation, Kostendruckinflation. Nachfragesog ist es in dem Fall nicht.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht! Natürlich ist es auch Nachfrage, nachdem gespart wurde in der Coronapandemie!)
Deswegen sind manche Vorschläge, die so im Raum stehen – Geldpolitik, Zinsen erhöhen – nicht der richtige Weg; denn es darf nicht darum gehen, die Nachfrage zu reduzieren, sondern wir bewegen uns ja in Richtung Stagflation. Daher müssen wir die Nachfrage insgesamt stärken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Pascal Meiser (DIE LINKE))
Das ist schon mal ein Weg, der falsch ist.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Weiß Christian Lindner schon von der Theorie?)
Die andere Variante ist Kostendruckinflation oderstarker Rückgang des Angebots. Das ist es, was jetzt eine große Rolle spielt. Wenn immer gesagt wird: „Preise entstehen durch Angebot und Nachfrage“, ist das richtig; aber das ist nicht das Einzige. Was auch eine wichtige Rolle spielt, sind die Erwartungen, die berücksichtigt werden müssen. Und was auch wichtig ist, sind die Machtstrukturen. Gerade bei den Machtstrukturen haben wir Ihnen unglaublich viel zu verdanken; denn Sie haben uns in der Energiepolitik von Russland abhängig gemacht,
(Zuruf des Abg. Jens Spahn (CDU/CSU))
und das ist eine Macht, die Putin schon vor dem Ukrainekrieg ausgenutzt hat, und er macht es immer noch. Deswegen müssen wir diese Machtstrukturen reduzieren, und deswegen ist die Diversifikation, die wir anstreben, an dieser Stelle genau der richtige Weg.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jens Spahn (CDU/CSU))
Diese Machtstrukturen gibt es auch innerhalb unseres Landes, wenn man sich die Ölraffinerien anguckt, die Machtstrukturen im Ölmarkt. Da geht die Bundesregierung auch dran, indem sie
(Jens Spahn (CDU/CSU): … in Katar einkauft!)
das Kartellrecht verändert. Deswegen sind Maßnahmen, die von Ihnen vorgeschlagen werden – dauerhafte Energiesteuersenkungen, Mehrwertsteuersenkungen -, auch nicht zureichend; denn in oligopolisierten Märkten führen Steuersenkungen nicht unbedingt dazu, dass Preise sinken, und dann hat man keinen Effekt. Auch ein falscher Weg!
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Wenn ich über die Erwartungen rede, dann ist es wichtig, die Erwartungen auch zu erfüllen, umzusteuern zu geringeren Energiepreisen. Deswegen müssen wir hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien umbauen. Auch das ist ein wichtiger Punkt, um die Erwartung zu erfüllen, dass die Energiepreise sinken, und das geht nicht, indem man auf fossile Energien oder gar Atom setzt, wodurch die Energiepreise steigen. Wir müssen mittelfristig auf sinkende Energiepreise setzen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Kay Gottschalk (AfD): Das erzählen Sie seit 20 Jahren! In Deutschland steigen die Preise!)
Ich komme noch mal auf die Nachfrage zu sprechen. Zur Nachfrage habe ich eben gesagt: Die Nachfrage insgesamt zu drosseln, wäre völlig verquer. Aber gezielt bei Energie die Nachfrage zu reduzieren, ist genau richtig. Und genau das ist diese Woche passiert, als Robert Habeck ein Energiesparpaket vorgestellt hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen jetzt Energie einsparen und dürfen nicht die Steuern senken, womit die Energienachfrage auch noch erhöht wird. Wir müssen die Nachfrage senken und auch damit den Druck aus dem Kessel nehmen gegen diese Inflation.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
So viel zum Thema Inflation.
Jetzt zu dem Punkt Entlastung. Da sind Sie völlig widersprüchlich. Einerseits sagen Sie: „Ja, ihr entlastet ganz breit“, und dann kritisieren Sie das. Und dann kritisieren Sie, dass wir nicht gezielt nur bei den Ärmsten entlasten. Da müssen Sie sich, glaube ich, intern einigen, was Sie für das Richtige halten. Wir haben uns dazu entschieden, dass wir breit entlasten. Ich glaube, das ist an dieser Stelle auch der richtige Weg. Wir Grünen hätten gerne ein Energiegeld gezahlt, das wirklich an alle geht. Das geht aber rein technisch noch nicht. Deswegen ist ein zentraler und aus meiner Sicht ganz wichtiger Punkt bei den Entlastungspaketen, dass wir vereinbart haben, dass das Bundesfinanzministerium bis zum Ende des Jahres ein Konzept vorlegt, wie es gelingen kann, dass wir mit solchen Entlastungspaketen tatsächlich alle Menschen erreichen können
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und dass wir damit perspektivisch auch ein Klimageld auszahlen können, um die CO2-Ausstöße tatsächlich teurer zu machen; denn Preise haben auch wichtige Lenkungseffekte. Aber dieses Geld geben wir den Leuten über das Klimageld komplett wieder zurück. Das ist genau der richtige Weg.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Wann kommt denn das? – Gegenruf der Abg. Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat der Kollege gerade gesagt!)
Wir haben sehr breit entlastet – über 30 Milliarden Euro; das ist schon gesagt worden -, und zwar genau an den richtigen Stellen. Wir haben in der Grundsicherung entlastet, wir haben die Erwerbstätigen entlastet – alle Erwerbstätigen! Und dass wir gesagt haben: „Die Energiepreispauschale wird besteuert“, ist ja genau richtig, weil sie dadurch zielgenau ist und genau da entlastet, wo es notwendig ist. Wir brauchen die 300 Euro nicht komplett, sondern es ist richtig, dass diese bei uns besteuert werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn (CDU/CSU): Sie kommt nirgendwo komplett an!)
Das ist ein Einstieg in das Energiegeld. Da, wo es möglich war, haben wir das gezahlt.
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Und was noch wichtig ist: Perspektivisch wollen wir noch viel mehr machen. Wir wollen zum 1. Januar 2023 das Bürgergeld einführen. Die Kindergrundsicherung kommt 2024; diese ist ein bisschen komplizierter.
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Herr Strengmann-Kuhn, letzter Satz bitte. Wir sind in der Aktuellen Stunde.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Und wir machen die Geschichte mit dem Klimageld, das auch genau der richtige Weg ist, um die Menschen zielgenau zu entlasten.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Maximilian Mordhorst (FDP))