Für Frieden und Abrüstung in der Welt – ein persönlicher Blick auf Krieg und Frieden, Waffenlieferungen, Ostermärsche und die Friedensbewegung

Die Nachrichten sind voll von Kriegsberichterstattung. Mich treibt das um. Denn dass soviel über Militärstrategien, Waffensysteme, Aufrüstung und Krieg gesprochen wird, verändert das Denken. Dabei bräuchten wir aber gerade in dieser Zeit eine Umkehr des Denkens genau in die andere Richtung. Die Klimakrise schreitet voran, Armut und Ungleichheit sind global, aber auch in den einzelnen Ländern unerträglich. Die Menschheit müsste eigentlich alles daran setzen, die ökologischen und sozialen Probleme zu lösen. Stattdessen werden Kriege geführt und wahnsinnige Mengen an Geld in Waffen gesteckt – auch bei uns – die wir wahrlich besser für andere Dinge gebrauchen könnten.

Die Friedensfrage war neben der ökologischen und der sozialen Frage ein wesentlicher Grund, warum ich vor über 40 Jahren Mitglied der Grünen geworden bin. Als die Grünen das erste Mal regiert haben, bin ich wegen des Kosovokrieges nach dem berühmten Bielefelder Parteitag aus der Partei ausgetreten (und zwei Jahre später wieder eingetreten). Ich bin auch weiterhin friedensbewegt und bis vor 2 Jahren bin ich (fast) immer beim Ostermarsch gewesen.

Warum ich dieses Jahr nicht zum Ostermarsch gehe, obwohl ich eigentlich finde, dass wir gerade in diesen Zeiten aus den oben genannten Gründen wieder eine starke Friedensbewegung bräuchten – und zwar am Besten weltweit – hat vor allem mit dem Krieg in der Ukraine zu tun. Seit dem 24.2. 2022 führt Putin einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Schon davor gab es Rufe, Waffen in die Ukraine zu liefern. Das fand ich falsch und war damit auf der Seite von Annalena Baerbock und nicht auf der von Robert Habeck. Bis zuletzt wurde viel verhandelt, um den Überfall zu vermeiden. Auch im Nachhinein finde ich richtig, dass wir bis dahin keine Waffen in die Ukraine geliefert haben, weil das den Funken Hoffnung, Putin noch von dem Überfall abzuhalten, endgültig zerstört hätte.

Nach dem Überfall des russischen Militärs auf die Ukraine hat sich meine Position zu den Waffenlieferungen allerdings geändert. Ab diesem Zeitpunkt fand und finde ich es richtig, dass wir die Ukraine auch mit Waffen unterstützen. Warum? Weil die Alternative wäre, dass Putin die Ukraine erobert und damit sicher nicht Schluss wäre. Das nächste Land wäre Moldawien. Und auch weitere Schritte sind nicht ausgeschlossen. Deswegen finde ich es notwendig, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert und Putin gestoppt wird. Aber auch wenn ich Waffenlieferungen in dieser Ausnahmesituation richtig finde, bin ich immer wieder über die politische Debatte dazu irritiert. Denn Waffen töten Menschen – und das wird leider zu oft ausgeblendet. Deswegen kann ich den Enthusiasmus, mit dem manchmal Waffenlieferungen gefordert werden oder über Waffengattungen debattiert wird, nicht nachvollziehen. Schlimmer: ich halte das für gefährlich, weil das unser Denken verändert. Ziel muss für uns doch immer der Frieden sein. Und da ist für mich nach wie vor klar: Waffen schaffen keinen Frieden. Für die Ukraine gilt aber: Keine Waffen oder ein einseitiger Waffenstillstand auch nicht – das wird von Teilen der Friedensbewegung leider ausgeblendet.

Ein Waffenstillstand ist derzeit leider komplett illusorisch. Genauso illusorisch ist es allerdings, dass die Ukraine diesen Krieg militärisch gewinnen könnte. Nein, Frieden wird es am Ende nur mit Verhandlungen geben. Wie wir dahin kommen? Keine Ahnung. Trotzdem müssen Wege gesucht werden und alles dafür getan werden, dass es zu Verhandlungen kommt. Die traurige Wahrheit ist aber, dass eine Voraussetzung dafür ist, dass nicht Putin diesen Krieg militärisch gewinnt.

Waffenlieferungen an die Ukraine finde ich richtig und ja, der Überfall auf die Ukraine ist eine Zeitenwende. Ich gehe auch noch bei der Schlussfolgerung mit, dass die NATO verteidigungsfähig sein muss – weil bei Putin leider nichts auszuschließen ist. Aber heißt das wirklich, dass wir in dem Maße aufrüsten müssen, wie das seit dem 27.2., der „Zeitenwende“-Rede von Olaf Scholz, gefordert wird? Davon bin ich nicht überzeugt und habe deswegen auch gegen das 100 Mrd. Euro-Sondervermögen gestimmt (ausführlich dazu in meiner persönlichen Erklärung) und finde auch nach wie vor das 2%-Ziel der NATO, aus dem manche ein 3%-Ziel machen wollen, für falsch. Das ist ein Vielfaches von dem, was Russland für Militär ausgibt. Wenn so viel Geld für Rüstung zur Verfügung gestellt wird, profitiert vor allem die Rüstungsindustrie. Nein, erst brauchen wir eine Diskussion darüber, was angesichts der von Putin geschaffenen neuen Lage notwendig ist, und dann müssen wir zusehen, wie wir das möglichst effizient und kostengünstig hinkriegen. Das wäre die richtige Reihenfolge. Jetzt wird sogar wieder von Atomwaffen und Kriegsfähigkeit geredet. Ich halte das für gefährlich.

Trotz der Waffenlieferungen an die Ukraine finde ich auch nach wie vor eine restriktive Rüstungsexportpolitik notwendig. Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien lehne ich ab. Waffenexporte sollten nach meinem Dafürhalten auf die NATO begrenzt bleiben – und auch da zum Teil mit Einschränkungen (Stichwort: Türkei). Der Krieg in der Ukraine darf nicht zu einer weltweiten Aufrüstungsspirale führen.

Der Krieg in der Ukraine ist ja leider nicht der einzige Krieg, der uns derzeit beschäftigt. Die Situation in Israel und Gaza bewegt uns alle. Aber auch hier finde ich viel zu viel Schwarz-Weiß-Denken. Die Hamas hat am 7. Oktober ein wahnsinniges, schreckliches Massaker veranstaltet. Darüber hinaus terrorisiert sie seit Jahren die israelische Bevölkerung. Gleichzeitig ist das, was zur Zeit im Gaza-Streifen passiert unerträglich. Einseitige Demonstrationen, die die eine Seite ausblenden, sind deswegen genau so daneben wie Positionen, die die andere Seite relativieren. Viel zu wenig werden die Menschen und Positionen gehört, die schlicht auf der Seite der Menschen stehen – auf der Seite der Israelis, die von der Hamas bedroht werden, und auf der Seite der Palästinenser, deren Leben durch die israelische Regierung bedroht wird, die ein Existenzrecht Israels fordern und einen palästinensischen Staat.

Nicht nur in der Ukraine und im Gaza wird Krieg geführt. Es gibt unzählige, viel zu viele Kriege, Bürgerkriege, Stellvertreterkriege und bewaffnete Konflikte rund um den Globus. Es wäre Zeit für eine neue Friedensbewegung – gegen Putin, gegen die Hamas, gegen Netanjahu, für Frieden in der Welt, für Abrüstung und weniger Krieg. Für die Menschen.

Ich wünsche allen, die in diesem Sinne bei den Ostermärschen auf die Straße gehen, alles Gute und möglichst viele Gleichgesinnte.

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