Rede | Kindergrundsicherung statt Familiensplitting

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Rede vom 01.12.2022 im Deutschen Bundestag

Hier folgt das Protokoll der Rede

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg*innen!

Sehr geehrter Herr Kollege Brehm, es gibt in Deutschland eine große Vielfalt an Familienformen – sehr bunt, sehr vielfältig -, und das ist supergut.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch (AfD))

Es ist auch richtig, dass Eltern, Väter und Mütter, entscheiden, ob sie arbeiten und wie viel sie arbeiten. Die Freiheit sollen und müssen sie haben. Das entspricht genau unserem Menschenbild.

(Zuruf des Abg. Kay Gottschalk (AfD))

Ich glaube, das eint fast alle Fraktionen hier im Bundestag. Da gibt es keinen Unterschied, Herr Brehm.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir setzen auf die Freiheit der Eltern.

Wo es aber einen Unterschied gibt – das ist der zentrale Punkt -, ist: Wir wollen nicht einseitig bestimmte Familienbilder finanziell fördern. Deswegen wollen wir Grüne im Gegensatz zur Union das System des Familienleistungsausgleichs – Sie haben es beschrieben – mit Ehegattensplitting, Kindergeld und Kinderfreibeträgen grundlegend ändern. Deswegen steht bei uns nach wie vor auf der Agenda, dass wir das Ehegattensplitting durch eine Individualbesteuerung ersetzen wollen. Durch das Ehegattensplitting werden hohe Einkommen bevorzugt. Das ist ungerecht. Es ist eben nicht unabhängig vom Familientyp. Wir wollen eine Förderung, die unabhängig vom Familienstatus der Eltern ist. Das Ehegattensplitting setzt zudem falsche Anreize für Frauen. Deswegen wollen wir das Ehegattensplitting gerne abschaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Anreize betrifft, wird die Ampel einen Schritt gehen und die Lohnsteuerklasse V abschaffen. Das ist ein wichtiger Schritt, um negative Arbeitsanreize für Frauen zu beseitigen und mehr Gleichstellung zwischen Männern und Frauen hinzubekommen.

(Johannes Steiniger (CDU/CSU): Sie haben ein veraltetes Familienbild! Es gibt auch genug Männer, die zu Hause sind!)

Die Ampel wird da aktiv werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst (FDP))

Vor allen Dingen werden wir als Ampel eine Kindergrundsicherung einführen,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

und das nicht irgendwann. Wir haben schon Schritte unternommen. Wir haben den Kindersofortzuschlag eingeführt: 20 Euro mehr für Familien mit geringem Einkommen. Wir haben beschlossen, das Kindergeld ab 1. Januar auf 250 Euro zu erhöhen. Das ist die größte Kindergelderhöhung, die es je gab, und ein großer Schritt zu dem Garantiebetrag der im Koalitionsvertrag verabredeten Kindergrundsicherung. Diesen Garantiebetrag sollen alle Kinder unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern erhalten.

Im Koalitionsvertrag steht das Ziel, „künftig allein durch den Garantiebetrag den verfassungsrechtlichen Vorgaben nach Freistellung des kindlichen Existenzminimums bei der Besteuerung des Elterneinkommens zu entsprechen“. Dieses Ziel ist noch nicht erreicht. Noch immer bekommen Eltern, die ein hohes Einkommen haben, also ein Einkommen wie Bundestagsabgeordnete oder ein noch höheres Einkommen, mehr für ihre Kinder als Eltern mit mittlerem Einkommen. Das halten wir für ein großes Gerechtigkeitsproblem. Aber mit der Anhebung des Kindergeldes auf 250 Euro haben wir diese Gerechtigkeitslücke verringert.

Wir Grünen würden da gerne noch weiter gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber werden wir in der Koalition im Rahmen der Diskussionen um die Kindergrundsicherung noch reden. Da gibt es zwei Stellschrauben: einen noch höheren Garantiebetrag oder eine Änderung beim BEA-Freibetrag, von dem vor allen Dingen die Reicheren profitieren. Da wäre eine Möglichkeit, dass Menschen mit hohem Einkommen eine geringere Förderung für ihre Kinder bekommen. Auch das wäre ein gerechter Schritt. Darüber werden wir mit dem Finanzminister und auch mit dem Koalitionspartner SPD noch mal zu diskutieren haben. Das wäre für uns aber ein wichtiger Punkt.

Neben dem Garantiebetrag gibt es einen zweiten Baustein der Kindergrundsicherung, den Zusatzbetrag für Kinder von Eltern mit geringem Einkommen. Da sind für uns zwei Punkte besonders wichtig:

Erstens ist wichtig, dass es im Gegensatz zum jetzigen „System“ eine automatische bzw. weitgehend automatische Auszahlung gibt. Jetzt haben wir ja das Phänomen, dass viele Leistungen gar nicht in Anspruch genommen werden, weil die bürokratischen Hürden zu groß sind, weil die Leute gar nicht wissen, dass sie diese Leistungen bekommen können. Deswegen ist wichtig, dass nicht die Menschen zu den Leistungen gehen, sondern die Leistungen zu den Menschen kommen und sie die Leistungen, die ihnen zustehen, ohne große Bürokratie in Anspruch nehmen können. Die automatische Auszahlung ist ein ganz zentraler Punkt der Kindergrundsicherung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt ist: Im Koalitionsvertrag steht, dass wir das Existenzminimum neu definieren wollen. Die 20 Euro Sofortzuschlag sind für uns noch nicht ausreichend. Da würden wir gerne drauflegen. Da ist das BMAS gefordert, im Rahmen der Diskussionen einen Vorschlag vorzulegen.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das wird auch ein wichtiger Punkt werden, weil die bisherigen Leistungen für Menschen mit geringem Einkommen nicht ausreichen. Da brauchen wir mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Herr Strengmann-Kuhn, letzter Satz, bitte.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Man sieht: Die Ampel ist tatkräftig dabei, den Familienleistungsausgleich vom Kopf auf die Füße zu stellen, ein Existenzminimum für Menschen mit geringem Einkommen zu garantieren und Menschen mit mittlerem Einkommen finanziell zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Pascal Kober (FDP))

Newsletter-Anmeldung