Kategorie: WSK-Blog

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Wir Grüne im Bundestag begrüßen ausdrücklich die Verabschiedung des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit (NAPW) im Bundeskabinett. Wir freuen uns, dass unsere grüne Forderung nach vielen Jahren aufgegriffen wurde. Der Nationale Aktionsplan  ist Teil eines wichtigen gemeinsamen politischen Bekenntnisses der Ampel: Erstmals übernimmt der Bund eine Mitverantwortung bei der Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, indem er die Akteur*innen aus Ländern, Kommunen, Verbänden und (ehemals) Betroffenen an einen gemeinsamen Tisch holt und Ideen und Maßnahmen entwickelt, und so eine wichtige, nicht nur koordinierende Rolle übernimmt. In den Vorgängerregierungen wurde stets auf die Zuständigkeiten der Länder und Kommunen verwiesen und zogen  sich so fein aus der Affäre. Damit soll nun Schluss sein. Dieses gemeinsame politische Bekenntnis unter Federführung des Bundes, ist ein großer Schritt nach vorne.

Der NAPW ist ein Startschuss mit einem hohen Ziel – die Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 – überwinden zu wollen. Er ist ein Handlungsleitfaden sowie der Beginn eines Prozesses, der das Ziel in Etappen erreichen soll. Anderes wäre angesichts der Aufgabe auch nur schwer vorstellbar. Und so wunderbar der vom Kabinett beschlossene NAPW seiner Intention nach ist, der vorgelegte Plan enthält aus grüner Sicht noch Lücken. Wir Grüne würden uns wünschen, wenn die Analyse noch etwas tiefer ginge, vor allem aber, was die politischen Schlussfolgerungen aus der Analyse angeht.

Sehr gut ist, dass bei den so genannten besonderen Bedarfsgruppen Jugendliche/junge Erwachsene, Frauen sowie „Menschen mit (familiärer) Einwanderungsgeschichte“ genannt werden. Häufig wird bei wohnungslosen und obdachlosen Menschen an alleinstehende Männer gedacht. Männer sind in der Tat immer noch in der Mehrheit. Es werden aber zunehmend auch Frauen wohnungslos und sie haben eine Reihe spezieller Probleme, auf die ein Nationaler Aktionsplan Antworten finden muss. Auch die jungen Wohnungslosen sind eine besondere Gruppe mit besonderen Ursachen, für die es gezielte Maßnahmen bedarf. Bei den Menschen „mit Einwanderungsgeschichte“ sollte meines Erachtens stärker differenziert werden, zwischen Geflüchteten, Menschen die schon länger hier leben und den EU-Bürger*innen, weil sich die Ursachen und Lagen dieser drei Gruppen sehr unterscheiden.  EU-Bürger*innen bilden die größte Gruppe unter den nicht untergebrachten wohnungslosen Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. (insgesamt 56 Prozent, S. 11) Durch den fast vollständigen Ausschluss von Sozialleistungen im Jahr 2016 hat sich Problematik verschärft. Vor allem Frauen sind – so steht es ebenfalls im NAPW – „durch die drohenden Ausbeutung- und Missbrauchsrisiken besonders gefährdet.“ (S.12.) Diese Gruppe hat in der Regel aufgrund des Leistungsausschlusses nicht einmal Zutritt zu Notunterkünften (S. 13.)

 Bei den besonderen Herausforderungen werden richtigerweise Gewalt an Obdachlosen, von der Frauen in besonderer Weise betroffen sind, das – vergleichsweise – neue Problem digitaler Teilhabe sowie die Frage der Unterbringung genannt.

Der NAPW enthält eine durchaus sinnvolle Analyse, die eigentlich eine gute Grundlage für politische Schlussfolgerungen, also eine Orientierung an der Systematik Ursachen, Problemgruppen und besondere Herausforderungen des NAPW. Das findet allerdings nicht statt. In den „Leitlinien zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit“ steht vieles Richtige, sie wirken aber etwas unsystematisch und sind noch lückenhaft. Es wäre sinnvoll, im weiteren Prozess explizite Maßnahmenkataloge für die genannten Personengruppen und Herausforderungen zu entwickeln und sich noch stärker an den herausgearbeiteten Ursachen zu orientieren.

Der im Nationalen Aktionsplan dargestellte Maßnahmenkatalog umfasst wichtige und richtige Punkte. Die meisten von diesen Maßnahmen passieren jedoch schon, manche bereits seit Jahren –mit sichtbarem Erfolg, aber eben mitnichten ausreichend, um Obdachlosigkeit zu überwinden. Es ist wichtig, die Dinge zu benennen, die wir bereits geschafft oder angestoßen haben. Allerdings ist die Überbetonung der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum nicht der Weisheit letzter Schluss. Prävention und Aufklärung – also transparente, leicht zugängliche Informationen sowie Unterstützung bei drohendem Wohnraumverlust sind genauso wichtig.

Bei der Frage der Prävention sollte zwischen primärer Prävention (wohnungspolitische und sozialpolitische Maßnahmen: wie wird ausreichender bezahlbarer Wohnraum geschaffen und wie werden die Menschen in die Lage versetzt ihre Miete zu bezahlen bzw. verhindert, dass sie das nicht können) und sekundärer Prävention (wie wird unmittelbar drohende Wohnungslosigkeit präventiv verhindert) unterschieden werden.

Neben der Prävention bleibt die Bekämpfung bereits entstandener Wohnungs- und Obdachlosigkeit ein weiterer zentraler Baustein. Hierzu zählen, neben bereits genannten Maßnahmen aus grüner Sicht der flächendeckende Ausbau von Housing First Angeboten, überall dort wo dies in den Kommunen und Ländern gewünscht und gebraucht wird.

Politischer Wille allein holt keinen Menschen runter von der Straße in ein eigenes Zuhause. Der politische Wille kostet kein Geld, die Erreichung des Ziels 2030 schon. Hierfür braucht es eine klare Haltung und das gemeinsame Bekenntnis der Ampel dafür Geld in die Hand zu nehmen und an den richtigen Stellen ausgeglichen zu investieren: Bei der Bestandssicherung und beim Neubau genauso wie beim Zugang zu Sozialleistungen für alle Betroffenen, sowie beim Zugang sozialer Träger zu Mitteln für die Umsetzung von Housing First Projekten vor Ort.

Wir fragen und regen gleichzeitig an: Wie löst der Staat die Problematik auf, dass Preise für Mieten – v.a. in urbanen Räumen – stark steigen und Wohnraum gleichzeitig knapp wird? Die Untersuchung des Konsortiums GISS/Kantar Public im Jahr 2022 hat ergeben, dass 39 Prozent der Wohnungslosen (verdeckt und ohne Unterkunft) in Deutschland noch nie über eine eigene Wohnung verfügt haben! Wir brauchen eine ehrliche Debatte über einen diskriminierungsfreien Zugang zu Wohnraum, der für alle Einkommensgruppen bezahlbar sein muss, denn Wohnen ist ein Menschenrecht.

Wir Grüne im Bundestag wünschen uns von der Bundesregierung die im Koalitionsvertrag vereinbarten Punkte umzusetzen: Wir brauchen eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe die sich eingehend mit der Thematik obdachloser EU-Bürger*innen befasst und konkrete Maßnahmen vorschlagen soll, wie den Menschen vor Ort in den betroffenen Kommunen geholfen und auch für diese Gruppe Obdachlosigkeit überwunden werden kann. Außerdem bedeutet die Förderung von Housing First Projekten finanzielle Zusagen und die Abbildung im Bundeshaushalt. Für die weiteren Etappen erwarten wir außerdem eine enge Einbindung und Beteiligung (ehemals) von Wohnungslosigkeit Betroffener Menschen. Sie sind Expertinnen und Experten in eigener Sache und werden den Prozess bereichern.

Wie kann der Bund (gemeinsam mit den Ländern) die Rahmenbedingungen und Strukturen gestalten, damit die Kommunen in die Lage versetzt werden vor Ort zu handeln damit Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 überwunden wird: zielgenau, freundlich und auf Augenhöhe sowie kosten- und ressourcenschonend? Meines Erachtens gelingt das nur mit klaren politischen Maßnahmen und Regeln mit zugrunde gelegtem Finanzplan.

Zur Bewertung der Grünen Bundestagsfraktion zum Nationalen Aktionsplan.

Zum Nationalen Aktionsplan.

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