Mit unserer kleinen Anfrage wollten wir einerseits in Erfahrung bringen welche wissenschaftlichen Untersuchungen zu Folgen der Pandemie auf Armut und soziale Ungleichheit, der Bundesregierung bekannt sind und welche Anstrengungen die Bundesregierung selbst innerhalb des letzten Jahres unternommen hat, um wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu generieren. Andererseits wollten wir wissen welche politischen Konsequenzen und Maßnahmen die Bundesregierung daraus ableitet und welche Rolle diese Fragen im Rahmen des Armuts- und Reichtumsberichts spielen.
Zur kompletten Antwort auf die Kleine Anfrage „Entwicklungen von Armut und sozialer Ungleichheit im Zuge der Corona-Pandemie“ geht es hier: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/264/1926481.pdf
Die Antwort zeigt, dass die Bundesregierung eine Reihe Forschungsprojekte angestoßen hat, die das Thema „Armut und soziale Ungleichheit als Folge der Pandemie“ behandeln, und die zum Teil sogar schon abgeschlossen sind. Das ist sehr zu begrüßen. Allerdings bemängeln wir, dass uns die Bundesregierung nicht an den Ergebnissen der abgeschlossenen Projekte und den daraus resultierenden Konsequenzen teilhaben lässt und dass obwohl sie in Antwort auf Frage 3 bestätigt, dass die COVID-19-Pandemie „aufgrund der ihr [der Bundesregierung] bekannten Forschungsergebnisse“ die „Beschäftigungs- und Einkommensrisiken für Personen- und Beschäftigtengruppen in vielen Bereichen der Gesellschaft erhöht. Besonders vulnerabel sind dabei Personen mit niedrigen Einkommen […]“. Wie diese Ergebnisse konkret aussehen, berichtet die Bundesregierung leider nicht.
Viel schlimmer ist allerdings, dass die Bundesregierung aus diesen Ergebnissen keine Konsequenzen gezogen hat. So werden auf unsere Frage nach den Schlussfolgerungen, u.a. die Maßnahmen wie die zur Kurzarbeit oder der erleichterte Zugang zur Grundsicherung, die ganz am Anfang der Pandemie durchgeführt und von uns unterstützt wurden, aufgelistet, also vor irgendwelchen Forschungsarbeiten. Wenn trotzdem Menschen mit geringen Einkommen besonders betroffen waren, wie die Bundesregierung feststellt, hätte viel früher nachgesteuert werden müssen.
Ferner kritisieren wir, dass die Bundesregierung nicht plant innerhalb des Armuts- und Reichtumsberichts – der dem Bundestag im 2. Quartal dieses Jahres vorgelegt werden soll (Antwort auf Frage 8) – einen Schwerpunkt auf die sozialen Auswirkungen der Pandemie zu legen (Antwort auf Frage7). Es ist schon sehr erstaunlich, dass die Bundesregierung dazu schreibt: „Eine schwerpunktmäßige Betrachtung der sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist (…) nicht geraten.“ Erstaunlich ist auch die Begründung nämlich, dass noch keine bevölkerungsrepräsentativen Daten für das Jahr 2020 vorlägen, dabei verweist sie in der Antwort auf Frage 1 selbst auf abgeschlossene Studien zur Generierung von Daten und die von ihr zum Teil selbst angestoßenen Forschungsprojekte.
Aus unserer Sicht wäre es dringend notwendig einen Schwerpunkt im Armuts- und Reichtumsbericht auf mögliche Verteilungs- und damit Ungleichheitswirkungen zu legen, z.B. durch die Betrachtung bestimmter Bevölkerungsgruppen, um im Anschluss mögliche sozialpolitische Maßnahmen zu diskutieren.
Es ist unübersehbar, dass die Menschen in Armut bei den bisher geschnürten Hilfspaketen weitestgehend leer ausgingen. Sie brauchten schon vor Corona eine Garantie des bisher von der Bundesregierung kleingerechneten Existenzminimums. Corona hat die Dringlichkeit verschärft und die existenzielle Not vieler Menschen in Armut noch sichtbarer gemacht. Dennoch argumentiert die Bundesregierung auch weiterhin (Antwort auf Frage 9), dass mittel- bis langfristige Maßnahmen aufgrund der aktuell verfügbaren Informationen nicht absehbar seien.
Das ist ein Armutszeugnis und lässt nur eine Schlussfolgerung zu:
Die Bundesregierung unterstützt Menschen in Armut weder ausreichend während der Corona-Pandemie, noch will sie in Zukunft daran etwas ändern.
Wir fordern:
- Maßnahmen zur Bekämpfung der coronabedingten Auswirkungen auf Armut und soziale Ungleichheit
- Einen thematischen Schwerpunkt hierzu im neuen Armuts- und Reichtumsberichts
- eine unumstößliche Garantie eines menschenwürdigen, ausreichend hohen Existenzminimums
- einen besseren Zugang für Selbständige zur den sozialen Sicherungssystemen
- einen verlässlichen Sozialstaat für alle, der Vertrauen schafft und so den Zusammenhalt stärkt
- Schlussfolgerungen aus der Krise für künftige Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
- eine Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung
- eine Garantiesicherung, statt Hartz IV
- eine Debatte zum bedingungslosen Grundeinkommen als Leitidee für eine Mindestabsicherung
Um den sozialen Zusammenhalt zu wahren darf die Bundesregierung nicht länger wegschauen und muss dem Thema Armutsentwicklung und sozialer Ungleichheit deutlich mehr Aufmerksamkeit und entschiedenes Gegensteuern widmen.