Die im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vereinbarte Einführung einer Kindergrundsicherung ist mittlerweile in einer entscheidenden Phase der gesetzgeberischen Umsetzung. Dazu legt der Arbeitskreis Armutsforschung ein Analyse-Papier vor, in dem systematisch die Frage behandelt wird, an welchen Stellschrauben es Änderungen geben muss, damit die Einführung einer Kindergrundsicherung im Ergebnis gegen Kinderarmut hilft.
Zum Hintergrund des Papiers:
Die Kernaussagen des Papiers basieren auf einer Zusammenschau von Forschungsergebnissen. Demnach ist nachgewiesen, dass Kinderarmut in Deutschland weit verbreitet ist und sowohl für die betroffenen Familien selbst als auch für die Gesamtgesellschaft negative und kostspielige Folgen hat. Es liegt also kein Erkenntnis- sondern ein Handlungsdefizit vor, das sich in einem komplexen und dennoch unzureichenden System der Familienunterstützung zeigt: Während ein Ausgleich zwischen kinderlosen Haushalten und Familien in dem System zumindest angelegt ist, mangelt es an einem Mechanismus der Umverteilung zwischen einkommensstarken und -schwachen Haushalten/Familien.
Zur Bekämpfung von Kinderarmut ist eine Zusammenfassung bestehender Leistungen für Familien und Kinder, auf der das Hauptaugenmerk der aktuellen Diskussionen liegt, sinnvoll. Eine Reduzierung der Komplexität und Intransparenz des derzeitigen Systems reicht für sich aber nicht aus, um das Defizit des fehlenden Ausgleichs zwischen Einkommensschichten zu kompensieren und im Ergebnis mehr Kinder aus der Armut zu holen. Denn dazu muss an zwei Stellschrauben angesetzt werden: erstens an der Höhe der Leistungen – kindliche Bedarfe müssen neu und sachgerecht ermittelt werden, was nach vorliegenden Erkenntnissen zu einer Anhebung der Transfers führen würde; und zweitens muss die Reform verlässliche Strukturen und Verfahren schaffen, damit die Leistungen bei den Berechtigten tatsächlich ankommen.
Die Einführung einer Kindergrundsicherung muss also mehr sein als eine Verwaltungsreform und Digitalisierung, wenn sie gegen Kinderarmut wirksam sein will. Die Klärung von Detailfragen einer zielgerechten Reform ist zwar komplex, die administrative Umsetzung aufwändig, und die fiskalischen Herausforderungen sind gründlich zu klären. Diese Aufgaben sind aber lösbar und stehen klaren und überfälligen Entscheidungen nicht entgegen, die eine Kindergrundsicherung mit spürbaren Verbesserungen für Kinder und Jugendliche und einen Fahrplan zur schrittweisen administrativen Umsetzung des Konzepts umfassen.
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Der Arbeitskreis Armutsforschung ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen und Praktikern, die im Forschungsgebiet Armutspolitik tätig sind. Die vorgestellte Analyse wird von ausgewiesenen Expertinnen und Experten der Armutsforschung unterstützt.
Erstunterzeichner:innen
Dr. Andreas Aust, Paritätische Forschungsstelle, Berlin
Dr. Irene Becker, Empirische Verteilungsforschung
Prof. Dr. Antonio Brettschneider, TH Köln
Dr. Jan Brülle, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut, Düsseldorf
Prof. Dr. Christian Brütt, Hochschule Darmstadt, Professor für Sozialpolitik und Sozialverwaltung
Prof. Dr. Christoph Butterwegge, Universität zu Köln, Humanwissenschaftliche Fakultät – Politikwissenschaft
Prof. em. Dr. Karl August Chassé, Ernst-Abbe-Hochschule Jena
Prof. Dr. Christoph Gille, Hochschule Düsseldorf
Prof. em. Ulrich Gintzel, Ev. Hochschule Dresden, em. Professor für Soziale Arbeit
Prof. Dr. Walter Hanesch, Hochschule Darmstadt, Fachbereich Soziale Arbeit
Dr. Melanie Hartmann, Diakonie Hessen, Frankfurt/Main
Dr. Benjamin Held, FEST e. V. Heidelberg, Leiter des Arbeitsbereichs „Nachhaltige Entwicklung“
Beate Hock, wissenschaftliche Mitarbeiterin AWO-ISS-Kinderarmutsstudie und Sozialplanerin
LH Wiesbaden
Gerda Holz, Forschung & Beratung, Bochum
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Hertie School Berlin, Senior Professor of Public Health and Education
Prof. Dr. Ernst-Ulrich Huster, Ev. Hochschule RWL Bochum/Universität Gießen
Prof. Dr. Michael Klundt, Hochschule Magdeburg-Stendal, Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften
Claudia Laubstein, Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V., Frankfurt/Main
Prof. Dr. Simone Leiber, Universität Duisburg-Essen, Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik
Prof. Dr. Sigrid Leitner, Technische Hochschule Köln, Institut für Sozialpolitik und Sozialmanagement
(ISSM)
Dr. Ortrud Leßmann, DIFIS-Issue Network Armutsforschung
Prof. Dr. Stephan Lorenz, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. em. Dr. Ronald Lutz, Fachhochschule Erfurt, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften
Prof. Dr. Kai Marquardsen, Fachhochschule Kiel
Prof. Dr. Roswitha Pioch, Fachhochschule Kiel – Hochschule für Angewandte Wissenschaften,
Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit
Dr. Eveline Reisenauer, Projekt ServiKiD, Deutsches Jugendinstitut e. V., München
Prof. em. Dr. Franz Segbers, Universität Marburg
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Institut für Sozialökologie, ISÖ
Prof. Dr. Silke Tophoven, Hochschule Düsseldorf
Prof. Dr. Gerhard Trabert, Armut und Gesundheit in Deutschland e. V.
Jan Velimsky (M.A.), Referent für Armutsberichterstattung und soziale Teilhabe in der Familienforschung,
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
Claudia Watson, Geschäftsführerin Social Solutions Kinderschutz & Prävention
Dr. Michael Wolff, Assoziierter Wissenschaftler bei Oswald von Nell-Breuning-Institut, Frankfurt/
Main